Die Altgrabung

In August und September 2015 wurde die Altgrabung im Zionsfriedhof mit Erlaubnis der Landeigentümerund des IAA einer ersten Vorarbeit unterzogen. Bei der Reinigung des Geländes ergaben sich allerdings für die Arbeit im Feld einige Sonderbedingungen. Der Archäologische Kontext war aufgrund der vorhergehenden Untersuchungen (Durch Bliss und Dickie sowie Pixner) und spätere Verfüllungen und Erosion nicht mehr gegeben. Daher wurden keine Artefakte gesammelt. Die Hauptaufgabe der Kampagne bestand darin, die Erdpackungen auszuheben, mit denen die alten Schnitte aufgeschüttet waren. Diese Füllung erwies sich als umfangreicher als es im Vorfeld absehbar war. Bis zum Ende der vierwöchigen Kampagne mussten mehr als 120 Tonnen Erde, Sand, Abraum und Friedhofsmüll entfernt werden.

Nach der Reinigung zeigen sich die Abfolge der antiken Mauern und die Toranlage in einem Zustand, der Raum für neue, solide Interpretationen ermöglichte. Zu diesem Zweck wurde auch eine umfangreiche Dokumentation vorgenommen. Zukünftige Forschungen basieren beispielweise auf genauen Messdaten aller Einzelbefunde sowie 3-D-Modelle des gesamten Areals und daraus resultierenden Orthofotos und steingerechte Pläne – eingebettet in ein GIS basierend auf dem landesüblichen Grid. Auf dieser Grundlage werden die Mauerstrukturen im Zionsfriedhof nun topographisch mit anderen Stadtmauer-Grabungen in der Umgebung verknüpft.

Das gilt im Besonderen für die Grabung von Yehiel Zelinger, der südöstlich des Zionsfriedhofes, jenseits der Ma’ale HaShalom-Straße die Fortsetzungen der im Friedhof freigelegten Mauern fand. Zelingers Untersuchungen widmete sich aufgrund der extremen Hanglage am Rande des Hinnomtales nur dem Verlauf der Stadtmauern im Südbereich der ehemaligen Stadt. Wohnbereiche konnten hier nicht erforscht werden. Auch im Zelinger-Grabungsschnitt wurde ein Tunnel von Frederick Bliss und Archibald Dickie entdeckt. Die beiden Engländer gruben allerdings nicht nach oben auf, sodass die Ergebnisse im vorliegenden Grabungsbereich unverfälscht blieben. Die topographische Nähe der beiden Grabungen des DEI und Yehiel Zelingers machen eine Kooperation für beide Seiten gewinnbringend.

Interpretation der Ergebnisse 2015

Die Toranlage im Nordwesten des Areals besteht aus drei übereinander liegenden Schwellen. Die älteste ist zwischen zwei Toransatzsteinen eingebettet und weist kreisrunde Einlassungen für die beiden Torangeln auf. Unter dem Bodenniveau dieses Bogens befindet sich ein aufwendig gearbeiteter Abwasserkanal. Die zweite Schwelle gehört zu einer Reparaturphase der ersten. Sie erhöht den Eingang um etwa 35 cm. Dadurch wurde zwar der Durchgang verkleinert, doch die Maßnahme griff nicht in die Bausubstanz des Torbogens als Ganzes ein. Die dritte Schwelle dagegen markiert in ihrer Bauweise und Position eine unabhängige, neue Bauphase. Sie erhöht den Eingang in die Stadt um mehr als einen Meter und ruht auf einem hohen Mörtelpack, der sich in der Füllung der an die Schwelle anschließenden Quadermauer fortsetzt. Östlich dieser Schwelle ist möglicherweise ein kleiner Rest des Untergrundes der Straße erhalten, die in die Stadt führte.

In Übereinstimmung mit den historischen Quellen handelt es sich bei der ältesten Schwelle vermutlich um das bei Flavius Josephus (Bell Iud V, 145) genannte Essenertor aus hasmonäischer/herodianischer Zeit. Die Reparaturphase kann bislang nicht datiert werden. Die obere Schwelle und die dazugehörige Quadermauer hingegen sind der Stadtmauererneuerung in der Mitte des 5. Jh. n. Chr. zuzurechnen.

Südlich der Toranlage können drei Mauerzüge voneinander unterschieden werden. Die älteste liegt westlich der Quadermauer und weist keinerlei Verbindung zu den anderen Mauern auf. Die Feldsteinmauer ist direkt auf dem anstehenden Fels errichtet und folgt der Hangkante des Zionsberges. Pixner verband diese Mauer mit der Eisenzeit II. Diese Datierung ist zwar nach alttestamentlichen Quellen naheliegend, kann aber aufgrund der schlechten Befunddokumentation und den derzeit fehlenden Verbindungen zwischen den beiderseits freigegrabenen Mauern und den archäologischen Kontexten nicht belegt werden. Die Quadermauer der Bauphase des 5. Jh. überbaut in einem zu dieser ältesten Mauer leicht abweichenden Winkel den Hügel, sodass ihre Fundamente die ältere Mauer teilweise überschneiden. Bei der dritten und jüngsten Mauer handelt es sich um einen Reparaturabschnitt aus einer noch nicht datierbaren späteren Phase, die eine Schneise zwischen dem Turm in Süden und der Quadermauer im Norden schließt. Diese Mauer ist aus großen, leicht in eine rechteckige Form geschlagenen und sehr dicht vermörtelten Feldsteinen errichtet und schließt in einer Art und Weise an den Turm an, die als Interpretation nur eine Nachzeitigkeit zulässt.

Der Turm im Süden markiert die Stelle, an der die Mauer nach Osten abknickt, um dem Abhang des Zionsberges zu folgen. Heute ist der Turm stark beschädigt, weil er bei der Errichtung der südlichen Friedhofsbegrenzungsmauer in der Mitte des 19. Jh. durchbrochen wurde. Die Fortsetzung seiner Fundamente kann man noch außerhalb der Friedhofsmauer sehen. Das Quadermauerwerk des Turmes ist flach bossiert, wobei es sich hier um hasmonäische/herodianische Bossen handelt, die aber möglicherweise einst tiefer gewesen sein könnten und abgeschlagen wurden. Die Fundamente des Turmes weichen in ihrer Ausrichtung zweifach von den aufgemauerten Quadern ab. Beide Abweichungen sind wegen ihrer auf Abstand gearbeiteten Steinsetzung als Fundamente charakterisiert. Nach dem aktuellen Stand kann noch nicht belegt werden, ob es sich bei den beiden Fundamentschichten um jeweils vorzeitige Setzungen handelt oder ob die veränderten Winkel in hangausgleichender Substruktionsarbeit begründet sind. Gleiches gilt für die Verschiebung der Ausrichtung zwischen dem Quadermauerturm und den Fundamentlagen. Möglicherweise sind also allein in der heutigen Erscheinung des Turmes drei Phasen auszumachen, wobei das Verhältnis des Turmes zur Mauer des 5. Jh. – eine mögliche vierte Phase – noch nicht mitberücksichtigt ist.

Die Verwendung der bossierten Quader spricht für eine zeitliche Einordnung des Turms selbst in hasmonäische/herodianische Zeit, diese Datierung kann allerdings nach dem aktuellen Stand nicht belegt werden. Es könnte sich bei den Quadern des Turmes auch um eine Zweitverwendung des hasmonäischen/herodianischen Mauerwerks im 5. Jh. handeln, möglicherweise unter Abschlagung der Bossen zur Anpassung an den Zeitstil. Dies legt folgende Interpretationsvorschläge nahe:

1: Der Turm ist in hasmonäischer/herodianischer Zeit entstanden. Möglicherweise wurde er über bis zu zwei Vorgängerstrukturen errichtet, von denen (noch) keine mit Mauern im Bereich des Zionsfriedhofes verknüpft werden kann. Dieser hasmonäische/herodianische Turm wird zur Errichtung der Mauer des 5. Jh. entweder aufgelassen, als Fundament genutzt oder in seiner Gesamtheit integriert.

2: Der Turm wurde im 5. Jh. erbaut, besteht aber aus wiederverwendeten hasmonäischen/herodianischen Steinen und wurde auf ebenfalls wiederverwendeten hasmonäischen/herodianischen Fundamenten, die möglicherweise selbst Vorgänger haben, errichtet.

Diese bisher aufgefundenen Strukturen und deren chronologische Zuordnung eröffnen einen tieferen Einblick in die Stadtgeschichte Jerusalems, als bisher möglich war. Der Südwesthügel war in der Eisenzeit II, der hasmonäischen/herodianischen Periode und in byzantinischer Zeit bewohnt.